Herein ins Sprachgemach!
(Pressenotiz zur Weimarer Schreibwerkstatt, August 2018)
In einem Punkt stimmen die Mitwirkenden der Weimarer Schreibwerkstatt überein: Ohne Schreiben und Lesen wäre das Leben weit ärmer, nüchterner. „Wer schreibt, schaut meist mit ziemlich kritischen Blick in die Welt, ist aber auch ein bisschen verrückt – sprach- und sprechverliebt eben“, meint Dr. Ulrike Müller, Autorin und Literaturwissenschaftlerin, die die Werkstatt schon gut 20 Jahre lang leitet. Vielfältig, ermutigend und inspirierend, auch anspruchsvoll, aber nicht akademisch, so hat sie sich die Werkstatt von Anfang an vorgestellt.
„Das Ganze ist auch eine Art Wahrnehmungstraining. Wir lernen die Schätze und Feinheiten, aber auch die Täuschungen der Sprache über die Jahre immer besser kennen – und die des Lebens so womöglich auch.“ An rund zehn Mittwochabenden im Halbjahr trifft sich die Gruppe für drei Stunden im „kleinen archiv“ in Weimar. Neue Texte werden vorgestellt, diskutiert, kritisiert, gelobt und bearbeitet, ältere in der veränderten Version noch einmal vorgelesen. Die eine drückt sich am liebsten in Bildern aus, der andere erfindet 22 Romananfänge, die dritte blättert mutig die väterlichen Briefstapel aus dem Zweiten Weltkrieg auf, die vierte jongliert auf dem Sprachdraht zwischen Lyrik und Prosa, der fünfte liebt Knittelverse und Satiren, die sechste ist eine großartige Zuhörerin und mit dem siebten Sinn für Lyrik ausgestattet, auch wenn sie selbst nicht aktiv schreibt. Beliebt sind Alltagsskizzen, Lyrik-Experimente, Personenporträts und Erinnerungen: an die Kindheit, die Lebenswelt der DDR-Zeit, ein Musikerlebnis. Zwischendurch werden Texte zu aktuellen politischen Ereignissen geschrieben. Dazu kommen ab und an stilistische oder thematische Übungen. Nebenher nimmt sich die Gruppe pro Semester noch eine literarische Form oder eine Epoche vor: Das Hörspiel oder z.B. Minnelyrik des Mittelalters.Einmal im Jahr gestaltet die Gruppe eine öffentliche Lesung in der Weimarer Stadtbücherei. In diesem Jahr standen nicht nur zarte Naturlyrik und Erinnerungen an womöglich bessere Zeiten auf dem Programm, sondern auch Böses und Bissiges. Von der Liebe im Linienbus über Unkraut im Garten, Schimmel auf dem Amt, dem Bienensterben und einem GranatSplitterMenü bis zum Gesundheitswahn wurde den Gästen wieder ein breites Spektrum an Texten geboten.
Ulrike Müller: „Wer schreibt, stößt ständig an Grenzen und genießt immer wieder neu die Möglichkeiten zur Grenzüberschreitung. Das macht auf die Dauer sogar ein bisschen süchtig –
und unser Miteinander im Austausch darüber so lebendig.“